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BeitragVerfasst: Mo 20. Feb 2017, 01:13 
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Registriert: Sa 4. Jul 2015, 08:58
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Wieder mal eine interessante Objektiv-OP für euch:

Ich war Kaffee trinken in der Stadt und ein älterer Herr fing mit mir ein Gespräch an wegen meiner Fotoausrüstung, es stellte sich heraus das er nicht mehr mit DSLR fotografiert und er gerade seine Sammlung aufgelöst hat, nur ein Meyer Görlitz hätte er noch und das wollte keiner haben weil es reparaturbedürfig ist.
Das weckte natürlich meinen " LBA Jagdtrieb" und ich fragte ein klein wenig nach, das Objektiv war komplett fest, vermutlich verharzt.
Als ich ihm um seine Telefonnummer bat, meinte er wohne quasi um die Ecke und wenn ich mag, hole er es eben.
Das Objektiv war extrem fest, als hätte jemand einen Kaugummi reingebracht, aber optisch war es noch ziemlich OK.

10 Minuten später hatte ich ein 29mm Meyer Görlitz für 10€ gekauft... :mrgreen:

Soweit zur Vorgeschichte.

Für die unter euch die mich noch nicht so kennen, ich habe mir mal einen "Objektivbrutkasten" gebaut um entspannt und ziemlich staubfrei zu arbeiten.


Hier liegt also der Patient nun:
Bild

Zunächst entferne ich das M42 Bajonett und die hintere Linsengruppe um überhaupt mal einen ungetrübten Blick auf die Blendenlamellen werfen zu können:

Bild

Bild

Die Blende war ziemlich verölt und es sah nach viel Arbeit aus, die andere Seite war noch wesentlich schlimmer. :mrgreen:

Bild

An der Kappe über der Blende sind 3 sehr kleine Madenschrauben (M1,4) die man zuerst lösen muss.
Wichtig:
Diese Kappe hat ein wenig Spiel, mit den Madenschrauben wird die Kappe zentriert, bitte Bilder machen bevor man die Madenschrauben löst!
Danach die Kappe vorsichtig entfernen und die Blende liegt nun in ihrer ganzen Pracht vor uns, jetzt schaut man sich zuerst mal den Aufbau an.
Normalerweise, wie hier auch, werden die Lamellen im Uhrzeigersinn aufeinandergelegt, die letzte Lamelle wird dann allerdings wieder unter die erste geschoben, damit sind alle miteinander verzahnt und laufen immer inneinander.
Ich mache mir davon gern ein Foto bevor ich Lamelle für Lamelle vorsichtig entferne.



Bild

Die Lamellen haben kleine Stifte an denen sie bei der Drehbewegung geführt werden, wenn eine Blende verölt ist, sollte man auch diese Führungen säubern damit das Problem sich nicht evtl. wiederholt.
Hier sieht man die Kulisse nach der Reinigung:

Bild

Für die Reinigung der Lamellen verwende ich so etwas ähnliches wie Wattestäbchen, diese sind aber für den technischen Gebrauch gedacht und etwas fester, sie fusseln auch kaum.
Die Reinigung habe ich in diesem Fall mit Aceton gemacht, das Öl war so fest drauf das ich mit Alkohol nicht wirklich weiterkam.
Bei Lamellen aus Metall ist es kein Problem, sollten es welche aus Kunstoff sein dann höchstens noch Spiritus verwenden, Aceton könnte den Kunststoff angreifen!

Bild

Bild

Wie man an den Tuch darünter sieht, waren sie ziemlich verölt. :)

Jetzt kommt ein ziemliches Geduldsspiel, das Einlegen der gesäuberten Lamellen.
Wer es zum ersten mal macht, wird verzweifeln, aber glaubt mir, irgendjemand vor euch hat die auch eingelegt, es geht also. :)
Zur Erinnerung: bitte nicht vergessen, daß die letzte Lamelle unter die Erste geschoben wird!

Jetzt wird mit Gefühl die Kappe wieder draufgelegt und die kleinen Madenschrauben angezogen. Dabei auf die oben angesprochene Zentrierung achten.

Der erste Etappensieg, eine einwandfrei laufende Blende :hurra:

Bild


Jetzt kümmern wir uns mal um den Fokusring, am einfachsten ist es, man löst mit einem spitzen Objektivschlüssel die Vorderseite mit der Aufschrift und dann die vordere Linsengruppe.
Um das Fett zum demontieren etwas gangbarer zu machen, habe ich alles mit dem Werkstattfön erwärmt.
Es ging trotzdem verdammt zäh, warum sieht man auf dem Bild, es war wirklich wie Kaugummi. :ugly:

Bild

So etwas geht am besten mit Bremsenreiniger zu entfernen den man auf ein Tuch sprüht.
Hier sollte man ebenfalls sehr sorgfältig arbeiten, es muss das gesamte alte Fett entfernt werden damit es dann so aussieht wie hier:

Bild

Bild

Das neue Fett ist Tamiya Lagerfett aus dem RC-Car Bereich, es hat für Objektive genau die richtige Konsistenz um den Fokusring schön "Cremig" laufen zu lassen.
Die Menge auch dem Bild reicht absolut aus, mehr Fett bedeutet auch mehr Widerstand beim drehen!

Bild

Entgegen der Demontage wird zunächst der Gewindering ohne vordere Linsengruppe wieder eingedreht und zwar so weit bis die Zapfen diese Position erreicht haben:

Bild

Jetzt dreht man wieder ein kleines Stück zurück, legt die Andruckfedern auf der Zapfenrückseite ein und schiebt die Kappe darüber, jetzt kann man den Gewindering wieder an seine Position schieben.


Da meine Linsengruppe auch innen etwas Staub hatte, habe ich diese zusätzlich auch noch zerlegt und die Linsen gereinigt:

Bild


Jetzt geht es an den Zusammenbau:

Man ist geneigt alles wieder so zusammenzubauen wie man es zerlegt hat, aber bei den alten Meyer Görlitz geht man etwas anders vor:

Das Objektiv wird von der Bajonettseite wieder montiert, also alle Ringe nacheinander reinigen, montieren und verschrauben.
Damit der Blendenring rasten kann hat er eine kleine Metallkugel die von einer Feder angedrückt wird, diese sollte man auch bei der Montage nicht vergessen... :mrgreen:

Bild

So soll es nach der Montage aussehen:

Bild

Der letzte Ring mit dem M42 Bajonett hat noch ein paar Hebel um die Blende zu bewegen, diese werden nun auch demontiert und gereinigt, dabei darauf achten das die Federn nicht verbogen werden und auch nicht wegfliegen.... :rofl:

Nachdem alles vom alten Öl befreit wurde, wird zunächst mit etwas Nähmaschinenöl oder anderes, nicht harzendes Öl, der Gewindering geölt und eingedreht.

Bild

Bild

Jetzt kommt wieder ein kleiner Montagetrick:
Man dreht den Ring ganz ein, dreht ihn dann genau 2 Umdrehungen zurück, so hat man genau den nötigen Abstand um den Blendenhebel darunter zu schieben! ;)

Bild


Der Blendenhebel hat unter der Befestigungsschraube eine ganz kleine Scheibe, diese wird mit etwas Fett an Ort und Stelle fixiert damit man sie beim Einbau nich verliert und auch an der richtigen Stelle sitzt.
Sollte sie das nicht tun, geht der Blendenhebel schwer, in diesem Fall den Arbeitsgang wiederholen.

Bild

Da wir den "Blendenpin" nicht brauchen und er auch in unserem Fall im Weg ist, muss dieser entfernt werden.
Hierzu gibt es verschiedene Methoden, Sekundenkleber, Dremel etc.
Da ich kein Freund von derart rabiaten Methoden bin, schliesslich kann es vorkommen das vielleicht doch mal das Objektiv an einen "Oldie" kommt, gehe ich folgendermaßen vor.

Von einem Adernendhülse 1mm² schneide ich mit dem Dremel einen 3mm langes Stück ab, dieses schiebe ich auf den Pin.
Mit diesem "Abstandshalter" ist nun der Pin komplett verschwunden, man kann aber auch innerhalb kürzester Zeit den Pin wieder aktivieren!

Bild

Bild

Bild

So sieht es aus wenn alles gereinigt und wieder montiert ist:

Bild

Nachdem alles verschraubt wurde, setzt die hintere, gereinigte Linsengruppe ein, danach richtet man die Blendenhebel so aus, das man die vordere Linsenbaugruppe hineinschieben kann.
Bitte darauf achten, daß diese durch einen kleinen Pin geführt wird!

Bild

Jetzt den vorderen Ring und als letztes den Ring mit den Schriftzug eindrehen, das wars! :)


Als letztes ein Test:

Bild

PASST! :hurra:

Noch ein Bild warum ich diese "Görlitze" so mag:

Bild


Fazit:
Ein Objektiv das fast in den Müll gewandert wäre und durch Zufall weitergereicht wurde, ist nun komplett restauriert und wird ab und zu mich auf unseren Fotoausflügen begleiten. :dasisses:

Danke. :wink:


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BeitragVerfasst: Mo 20. Feb 2017, 06:47 
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Vielen Dank für den tollen, verständlichen Beitrag! Wäre für mich wahrscheinlich doch zu aufwändig.
Aber es bestätigt, dass es eine klasse Linse ist...

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BeitragVerfasst: Mo 20. Feb 2017, 08:18 
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Moin!

Hab deinen Beitrag mit Interesse gelesen, und meine Achtung vor Leuten, die Objektive reparieren ist beträchtlich gestiegen.
Nie und nimmer würde ich es wagen, so etwas machen zu wollen, ich würde schon bei der ersten der zig Hürden kläglich scheitern.
Ich weiß nicht, ob ich es überlesen habe, aber wie viel Zeitaufwand steckte denn letztlich in dieser Reparatur?
Und Danke für deine Mühe, dass wir dich bei der Reparatur begleiten durften.

Und zumindest weiß ich jetzt, wo ich meine Objektive hinschicken kann, sollte ich ein ähnliches Problem haben. :mrgreen: xd

_________________
LG
Hannes

(Mein Fotostream bei )


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BeitragVerfasst: Mo 20. Feb 2017, 08:24 
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Registriert: Sa 4. Jul 2015, 08:58
Beiträge: 2066
So schlimm ist das gar nicht. :mrgreen:
Mit dem richtigen Werkzeug und ordentlich Geduld kommt man ans Ziel.

Der Zeitaufwand war ca. 4h, allerdings auf ein paar Tage verteilt da ich das immer nebenher gemacht habe. In der Reparaturbox kann ich ja alles problemlos offen liegen lassen da ja so gut wie kein Staub eindringt.

Hannes21 hat geschrieben:
Und zumindest weiß ich jetzt, wo ich meine Objektive hinschicken kann, sollte ich ein ähnliches Problem haben. :mrgreen: xd

Alles Verhandlungssache. ;)


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BeitragVerfasst: Mo 20. Feb 2017, 08:35 
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Wohnort: Nonnenhorn/Bayern- Bodensee
:shock: Räschspekt ( xd )- da kann man nur den :hat: ziehen :ja:
..... ich hätte da zwei Linsen die könnten mal ne Überprüfung vertragen :d&w:

LG
Ernst

_________________
http://www.digital-photogalerie.de
*Nichts hat mehr Bestand als die Vergangenheit*


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BeitragVerfasst: Mo 20. Feb 2017, 08:46 
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Registriert: So 27. Okt 2013, 13:51
Beiträge: 3645
Wohnort: Wächtersbach
Allergrößten Respekt vor Deinen Fähigkeiten. Ich habe es mit großem Interesse gelesen, allerdings muss ich gestehen, dass ich spätestens nach Bild 2 den Vorschlaghammer eingesetzt hätte :yessad:

_________________
Gruß
Helmut

Das Ärgerliche am Ärger ist, dass man sich selbst schadet, ohne anderen zu nützen
(Kurt Tucholsky)

Meine - Bilder


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BeitragVerfasst: Mo 20. Feb 2017, 09:05 
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KMP Team
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Registriert: Sa 21. Apr 2012, 10:05
Beiträge: 10028
Zuerst die Geschichte, wie es überhaupt zur Reparatur kam und dann noch die Bescheibung eines Vorganges, der große Bewunderung auslöst. Respekt!
Und ja, Du hast Dich damit für allfällige Reparaturen an der Ausrüstung der Pentaxians qualifiziert.

_________________
Naturfotografie in der Eifel



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BeitragVerfasst: Mo 20. Feb 2017, 10:30 
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Registriert: Mi 30. Mai 2012, 11:28
Beiträge: 4758
Wohnort: im schönen Wetter
eine ganz tolle Dokumentation.. habe mir auch nochmal deine staubreduzierte Arbeitszone genauer angeschaut. Aber ich bin überzeugt, die Mühe hat sich gelohnt für Dich mit dem schönen Meyer-Glas. Meinen Respekt für deine handwerklichen Fähigkeiten. :2thumbs:

_________________
Schöne Grüße
Burkhard


Pentax....what else? !


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BeitragVerfasst: Mo 20. Feb 2017, 10:37 
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Registriert: Sa 21. Apr 2012, 07:59
Beiträge: 1600
Wow! Respekt! :2thumbs:
Ich war schon froh, dass ich es geschafft hab, ein Display an einem iPhone 5 zu tauschen und es danach wieder funktioniert hat! ;)

Ciao
Manin

_________________
www.15seconds.cc


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BeitragVerfasst: Mo 20. Feb 2017, 17:40 
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Registriert: Sa 13. Sep 2014, 11:05
Beiträge: 12212
Hallo Hans

Jep!!! ,...kannst versichert sein,....Du hast meinen vollen Respekt :bravo: :bravo: :bravo:

..schätze es wird sicher nicht das letzte Objektiv sein welches Du zerlegen,reinigen-reparieren oder umbauen "darfst" :mrgreen:

..gute Objektivschrauber sind wichtige Leute :ja:

..toller Bericht,....wie immer :ja: :cheers:

Bernd

_________________
Die glücklichen Sklaven sind die erbittertsten Feinde der Freiheit.
(Marie von Ebner-Eschenbach)


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